Urteil - Kanzlei Hoang

Druckkündigung unwirksam – Strenge Voraussetzungen beachten!

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu entscheiden, die unter erheblichem Druck der Belegschaft ausgesprochen wurde (sog. echte Druckkündigung). Mehrere Beschäftigte hatten gedroht, das Unternehmen zu verlassen, falls ein bestimmter Mitarbeiter weiter beschäftigt werde. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos, was später vom Gericht für unwirksam erklärt wurde.

Das Urteil ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders relevant, weil es zeigt, dass Arbeitgeber nicht einfach auf Forderungen aus dem Kollegenkreis reagieren dürfen. Sie müssen vielmehr aktiv versuchen, Konflikte zu entschärfen und betroffene Beschäftigte zu schützen. Außerdem verdeutlicht die Entscheidung, dass ein Arbeitgeber nach einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht durch einen Auflösungsantrag beenden kann. Damit stärkt das Gericht den Bestandsschutz und die Rechte von Arbeitnehmern in Konfliktsituationen.

GerichtLandesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen10 SLa 687/24
Entscheidungsdatum13. Mai 2025
VorinstanzArbeitsgericht Hannover, Urteil vom 29. August 2024 – 2 Ca 19/24
Relevante Vorschriften§ 626 BGB, § 9 Abs. 1 KSchG, § 13 Abs. 1 KSchG

Sachverhalt

Der Kläger war langjährig bei einem Verkehrsunternehmen beschäftigt und genoss aufgrund des Tarifvertrags einen besonderen Kündigungsschutz. Danach war eine ordentliche Kündigung nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit und ab Vollendung des 40. Lebensjahres ausgeschlossen. Zwischen ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen kam es immer wieder zu Spannungen. Schließlich drohten mehrere Mitarbeiter, sich versetzen zu lassen oder selbst zu kündigen, sollte der Kläger weiterbeschäftigt werden.

Der Arbeitgeber sah sich dadurch stark unter Druck gesetzt und sprach eine außerordentliche Kündigung mit sogenannter Auslauffrist aus. Diese Frist entspricht der Dauer einer ordentlichen Kündigung, soll aber die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen. Zuvor hatte der Arbeitgeber versucht, den Konflikt durch Gespräche und eine Mediation zu lösen, ohne dauerhaften Erfolg. Der Kläger wehrte sich gegen die Kündigung und machte geltend, dass die Voraussetzungen für eine sogenannte Druckkündigung nicht vorlägen.

Das Arbeitsgericht Hannover gab der Klage statt und stellte fest, dass kein ausreichender Kündigungsgrund vorlag. Der Arbeitgeber habe sich nicht ausreichend schützend vor den Arbeitnehmer gestellt und keine ernsthaften Maßnahmen ergriffen, um den Konflikt zu entschärfen. Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gerichtlich aufzulösen. Er argumentierte, dass die Zusammenarbeit unzumutbar geworden sei, weil die Belegschaft den Kläger geschlossen ablehne. Das Landesarbeitsgericht musste daher prüfen, ob eine rechtmäßige Druckkündigung vorlag und ob der Arbeitgeber berechtigt war, einen Auflösungsantrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung des Arbeitgebers zurück. Eine außerordentliche Kündigung könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und alle milderen Mittel ausgeschöpft wurden. Im Falle einer Druckkündigung müsse der Arbeitgeber versuchen, den Druck aus der Belegschaft abzuwehren, anstatt ihm nachzugeben.

Nach Auffassung des Gerichts hatte der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt. Er habe nicht ausreichend versucht, die Beschäftigten von ihrer Drohung abzubringen oder ernsthaft eine innerbetriebliche Lösung herbeizuführen. Die angebotene Mediation sei weder konsequent umgesetzt noch frühzeitig eingeleitet worden. Stattdessen habe der Arbeitgeber den Eindruck vermittelt, die Kündigung sei die einfachste Lösung, um den Konflikt zu beenden.

Auch der Hilfsantrag, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, blieb ohne Erfolg. Das Gericht stellte klar, dass ein solcher Antrag nach dem Kündigungsschutzgesetz nur dem Arbeitnehmer zusteht, wenn eine außerordentliche Kündigung als unwirksam erklärt wird. Der Arbeitgeber habe in solchen Fällen kein Recht, selbst eine gerichtliche Auflösung zu verlangen. Diese Regelung gelte auch dann, wenn eine ordentliche Kündigung – wie hier – durch Tarifvertrag ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber habe bewusst entschieden, Arbeitgebern in diesen Fällen kein Auflösungsrecht einzuräumen.

Das Landesarbeitsgericht stellte abschließend fest, dass eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist trotz ihrer Ähnlichkeit zur ordentlichen Kündigung rechtlich als fristlose Kündigung gilt. Wird sie für unwirksam erklärt, bleibt der Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt. Der Arbeitgeber muss sich also um eine tragfähige Lösung im Betrieb bemühen, anstatt das Arbeitsverhältnis einseitig zu beenden.

Zusammenfassung

Arbeitgeber dürfen dem Druck der Belegschaft nicht einfach nachgeben – bei unwirksamer Kündigung kann nur der Arbeitnehmer die Auflösung verlangen.

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Bildnachweis: Foto von KATRIN BOLOVTSOVA

Rechtsanwalt Van Hoang, LL.B.
Rechtsanwalt Van Hoang, LL.B.

Rechtsanwalt Hoang ist bundesweit tätig und spezialisiert auf Arbeitsrecht – von Kündigung und Abmahnung bis hin zu Aufhebungsverträgen und Lohnansprüchen. Zusätzlich berät er kompetent im allgemeinen Zivilrecht und Datenschutzrecht. Mandanten profitieren von klarer Kommunikation, effizienter Fallbearbeitung und fundierter juristischer Expertise. Dabei legt er besonderen Wert auf strategisches Vorgehen und taktisch kluges Verhandeln, um für seine Mandanten optimale Ergebnisse zu erzielen.

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