Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – Beweis

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist für Arbeitnehmer der wichtigste Nachweis im Krankheitsfall. Sie dient nicht nur zur Information des Arbeitgebers, sondern hat auch rechtlich eine starke Beweiswirkung. Doch was bedeutet das genau? Wann gilt die ärztliche Bescheinigung als Beweis für die Arbeitsunfähigkeit – und wann darf der Arbeitgeber Zweifel äußern? In diesem Beitrag erfahren Sie, wie der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtlich bewertet wird, wann er erschüttert sein kann und welche Rechte Arbeitnehmer in solchen Fällen haben. Ziel ist, Ihnen zu zeigen, wie Sie Ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung rechtssicher sichern und typische Fehler vermeiden.

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist das zentrale Beweismittel für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) besitzt sie einen hohen Beweiswert. Das bedeutet: Legt ein Arbeitnehmer eine ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche Bescheinigung vor, wird grundsätzlich vermutet, dass er tatsächlich arbeitsunfähig krank war.

Diese gesetzliche Vermutung beruht auf § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Der Arbeitnehmer erfüllt mit der Vorlage der AU seine Nachweispflicht und kann damit seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend machen. Der Arbeitgeber muss den Lohn fortzahlen, solange keine berechtigten Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit der Bescheinigung bestehen.

Die ärztliche Bescheinigung gilt damit als objektiver Beweis für die Arbeitsunfähigkeit. Arbeitnehmer müssen also in der Regel keine weiteren Nachweise vorlegen, wie z. B. Atteste über Diagnosen oder Behandlungspläne. Nur wenn der Arbeitgeber den Beweiswert der AU konkret erschüttern kann, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, weitere Beweise zu erbringen.

Wann der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist

Obwohl die AU grundsätzlich einen hohen Beweiswert hat, kann dieser unter bestimmten Umständen erschüttert werden. Das ist dann der Fall, wenn objektive Tatsachen Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit begründen.

Ein klassisches Beispiel ist, wenn ein Arbeitnehmer direkt nach einer Kündigung krankgeschrieben wird – und die Dauer der Krankschreibung exakt mit der Kündigungsfrist übereinstimmt. In solchen Fällen darf der Arbeitgeber den Beweiswert anzweifeln, da ein Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Krankschreibung naheliegt.

Auch wenn ein Arbeitnehmer während der Krankschreibung Tätigkeiten ausübt, die mit der bescheinigten Krankheit unvereinbar sind – etwa körperlich anstrengende Nebenjobs oder sportliche Aktivitäten – kann dies den Beweiswert der AU erschüttern.

Weitere Beispiele sind auffällige Häufungen von Krankmeldungen an Brückentagen, ein Arztwechsel bei jeder Krankschreibung oder mehrfach identische Zeiträume unmittelbar nach Urlaubsablehnungen. Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber konkrete, objektive Tatsachen vortragen kann, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Attests begründen.

Folgen einer erschütterten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Wenn der Arbeitgeber den Beweiswert erfolgreich erschüttert, liegt die Beweislast wieder beim Arbeitnehmer. Das bedeutet, der Arbeitnehmer muss dann auf andere Weise beweisen, dass er tatsächlich krankheitsbedingt arbeitsunfähig war.

Dieser Nachweis kann zum Beispiel durch eine ergänzende ärztliche Stellungnahme, Zeugen oder medizinische Unterlagen erfolgen. Der behandelnde Arzt kann bestätigen, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestand und die ärztliche Bescheinigung korrekt ausgestellt wurde.

Gelingt dem Arbeitnehmer der Beweis nicht, verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Außerdem kann eine erschütterte AU disziplinarische oder arbeitsrechtliche Konsequenzen haben – etwa in Form einer Abmahnung oder im schlimmsten Fall einer Kündigung.

Es ist daher ratsam, bei möglichen Zweifeln des Arbeitgebers sofort rechtlichen Rat einzuholen, um den eigenen Anspruch abzusichern und Missverständnisse auszuräumen.

Beweiswert und elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Seit 2023 gilt in Deutschland die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU). Sie wird vom Arzt direkt an die Krankenkasse übermittelt, die sie anschließend dem Arbeitgeber digital bereitstellt. Diese Umstellung ändert jedoch nichts am Beweiswert der Bescheinigung – auch die eAU gilt als rechtlich vollwertiger Nachweis der Arbeitsunfähigkeit.

Gerade durch die digitale Übermittlung steigt die Beweissicherheit, da Fälschungen oder Manipulationen der Bescheinigung weitgehend ausgeschlossen sind. Trotzdem kann der Arbeitgeber weiterhin Zweifel äußern, wenn der zeitliche oder sachliche Zusammenhang der Krankschreibung ungewöhnlich erscheint.

Arbeitnehmer sollten daher stets darauf achten, dass die Krankmeldung rechtzeitig erfolgt, die eAU korrekt übermittelt wird und eventuelle Lücken zwischen den Bescheinigungen vermieden werden. So bleibt der Beweiswert unangetastet.

Vorgehen bei Zweifeln des Arbeitgebers

Wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung äußert, sollte der Arbeitnehmer zunächst ruhig und sachlich reagieren. Es ist wichtig, die eigene Mitwirkungspflicht zu erfüllen und zusätzliche Nachweise zu erbringen, falls dies verlangt wird.

In manchen Fällen kann auch die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) erfolgen. Der MDK prüft unabhängig, ob tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder vorlag. Arbeitnehmer sind verpflichtet, an dieser Überprüfung mitzuwirken. Das Ergebnis der MDK-Prüfung hat einen hohen Beweiswert und kann den Arbeitgeber zur Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit verpflichten.

Arbeitnehmer, die unberechtigte Zweifel ihres Arbeitgebers erleben oder eine Lohnkürzung aufgrund angeblich fehlender Arbeitsunfähigkeit erhalten, sollten nicht zögern, sich anwaltlich beraten zu lassen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann prüfen, ob die Zweifel rechtmäßig sind und welche Schritte sinnvoll sind, um die Entgeltfortzahlung durchzusetzen.

Gerichtliche Beurteilung des Beweiswerts

Arbeitsgerichte stützen sich bei Streitigkeiten über den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Regel auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach reicht die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung grundsätzlich als Beweis aus, solange keine begründeten Zweifel bestehen.

Die Gerichte fordern vom Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht einer missbräuchlichen Krankschreibung. Bloße Vermutungen, Misstrauen oder subjektive Einschätzungen genügen nicht. Nur wenn der Arbeitgeber nachvollziehbare Tatsachen vorträgt, wird der Beweiswert als erschüttert angesehen.

Für Arbeitnehmer bedeutet das: Eine ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bietet einen sehr starken Schutz. Wer sie fristgerecht vorlegt und sich an seine Mitteilungspflichten hält, muss in der Regel keine finanziellen oder arbeitsrechtlichen Nachteile befürchten.

Zusammenfassung

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt als starker Beweis für die Arbeitsunfähigkeit. Nur wenn der Arbeitgeber konkrete Tatsachen vorträgt, die Zweifel begründen, kann der Beweiswert erschüttert werden.

Fazit

Arbeitnehmer sind mit einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich auf der sicheren Seite. Sie erfüllt die gesetzliche Nachweispflicht und sichert den Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Arbeitgeber dürfen den Beweiswert nur in Ausnahmefällen anzweifeln – etwa bei auffälligen zeitlichen Zusammenhängen oder widersprüchlichem Verhalten. Wer als Arbeitnehmer mit Zweifeln des Arbeitgebers oder verweigerter Lohnfortzahlung konfrontiert wird, sollte frühzeitig rechtlichen Rat suchen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann helfen, den Beweiswert zu sichern und unberechtigte Maßnahmen abzuwehren.

Das können wir für Sie tun

Unsere Kanzlei berät und vertritt Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften bundesweit in allen Fragen des Arbeitsrechts. Wir prüfen Abfindungsangebote, verhandeln mit Arbeitgebern und unterstützen Sie dabei, Ihre finanziellen Ansprüche durchzusetzen. Wenn nötig, vertreten wir Ihre Interessen vor dem Arbeitsgericht und sorgen dafür, dass Sie Ihre Rechte kennen und nutzen können.

Egal ob Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Sonstiges im Arbeitsrecht – wir stehen Ihnen mit unserer Erfahrung und rechtlichen Kompetenz zur Seite. Kontaktieren Sie uns, bevor Sie etwas unterschreiben, und sichern Sie sich eine fundierte Einschätzung Ihrer Lage. In Ihrer konkreten Situation sollten Sie immer rechtlichen Rat bei einem Anwalt für Arbeitsrecht einholen.

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