Ein Betriebsübergang kann für Arbeitnehmer große Veränderungen bedeuten – neue Eigentümer, neue Strukturen, manchmal auch neue Unsicherheiten. Doch rechtlich sind Arbeitnehmer in solchen Situationen gut geschützt. Der Gesetzgeber hat klare Regeln geschaffen, um sicherzustellen, dass Arbeitsverhältnisse bei einem Inhaberwechsel nicht einfach enden oder verschlechtert werden. In diesem Beitrag erfahren Sie, was genau ein Betriebsübergang ist, welche Rechte Arbeitnehmer haben, wann Widerspruch möglich ist und welche Fehler Arbeitgeber häufig machen. Ziel ist, Arbeitnehmern, Betriebsräten und Gewerkschaften einen klaren Überblick über den rechtlichen Schutz bei Betriebsübernahmen zu geben.
Inhaltsverzeichnis
Was ein Betriebsübergang ist
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb oder ein klar abgrenzbarer Betriebsteil durch einen neuen Inhaber übernommen wird und die wirtschaftliche Einheit ihre Identität behält. Das bedeutet: Der Betrieb bleibt im Wesentlichen derselbe – nur der Eigentümer oder Betreiber ändert sich.
Rechtliche Grundlage ist § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Diese Vorschrift schützt Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel davor, ihre Rechte oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Ein Betriebsübergang liegt also beispielsweise vor, wenn:
– ein Unternehmen verkauft wird,
– eine Abteilung an einen anderen Arbeitgeber ausgegliedert wird,
– ein Werkvertrag in eine andere Firma übergeht,
– oder der Betrieb an einen neuen Pächter übergeben wird.
Wichtig ist, dass die wirtschaftliche Einheit fortbesteht – also Betriebsmittel, Personal, Organisation oder Kundenstamm weitgehend übernommen werden.
Was bei einem Betriebsübergang mit den Arbeitsverhältnissen passiert
Das zentrale Prinzip lautet: „Der Betrieb geht auf den Erwerber über – die Arbeitsverhältnisse auch.“
Nach § 613a Abs. 1 BGB tritt der neue Inhaber automatisch in alle bestehenden Arbeitsverhältnisse ein, und zwar mit allen Rechten und Pflichten. Das gilt unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer ausdrücklich zustimmen oder nicht.
Die Arbeitsverträge bleiben also inhaltlich unverändert – einschließlich Gehalt, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsfristen und sonstiger Vereinbarungen. Der neue Arbeitgeber kann die Bedingungen nicht einseitig ändern.
Auch die Betriebszugehörigkeit bleibt erhalten. Das bedeutet, dass für spätere Kündigungsfristen, Abfindungen oder Rentenansprüche die gesamte bisherige Beschäftigungszeit angerechnet wird.
Dieser automatische Übergang dient dem Arbeitnehmerschutz: Niemand soll durch einen bloßen Inhaberwechsel schlechtergestellt werden oder seine Position verlieren.
Informationspflicht des Arbeitgebers
Sowohl der bisherige als auch der neue Arbeitgeber sind verpflichtet, die betroffenen Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang schriftlich zu informieren (§ 613a Abs. 5 BGB).
Diese Information muss klar, verständlich und vollständig sein. Sie muss insbesondere enthalten:
– den Zeitpunkt oder geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
– den Grund des Übergangs,
– die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmer,
– und die geplanten Maßnahmen, die den Arbeitnehmer betreffen.
Die Informationspflicht ist von großer praktischer Bedeutung, weil sie die Grundlage für das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bildet. Wird unvollständig oder fehlerhaft informiert, beginnt die Widerspruchsfrist nicht zu laufen – und Arbeitnehmer können dem Übergang noch lange nachträglich widersprechen.
Das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
Arbeitnehmer können dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen. Dieses Recht besteht nach § 613a Abs. 6 BGB und muss innerhalb von einem Monat nach Zugang der ordnungsgemäßen Information ausgeübt werden.
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen und kann gegenüber dem bisherigen oder dem neuen Arbeitgeber erklärt werden. Eine Begründung ist nicht erforderlich, aber sinnvoll.
Widerspricht der Arbeitnehmer, bleibt er beim bisherigen Arbeitgeber beschäftigt – zumindest theoretisch. In der Praxis kann das problematisch sein, wenn dieser Betrieb gar nicht mehr fortbesteht. Dennoch kann der Widerspruch sinnvoll sein, etwa wenn der neue Arbeitgeber schlechtere Arbeitsbedingungen bietet oder wirtschaftlich unsicher ist.
Da ein Widerspruch weitreichende Folgen haben kann, sollten Arbeitnehmer vorher unbedingt rechtlichen Rat einholen. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann prüfen, ob der Übergang ordnungsgemäß war und ob sich ein Widerspruch lohnt.
Kündigungsschutz beim Betriebsübergang
Arbeitnehmer dürfen wegen des Betriebsübergangs nicht gekündigt werden. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 613a Abs. 4 BGB.
Eine Kündigung, die ausschließlich aufgrund des Inhaberwechsels erfolgt, ist unwirksam. Allerdings kann eine Kündigung aus anderen Gründen – etwa betriebsbedingt, verhaltensbedingt oder personenbedingt – weiterhin zulässig sein, wenn sie unabhängig vom Betriebsübergang gerechtfertigt ist.
In der Praxis versuchen Arbeitgeber manchmal, den Übergang zum Anlass für Umstrukturierungen oder Personalabbau zu nehmen. Solche Kündigungen sind häufig rechtswidrig. Arbeitnehmer sollten in diesen Fällen innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben, um ihre Rechte zu sichern.
Auch der neue Arbeitgeber darf nach dem Übergang keine Änderungen der Arbeitsbedingungen einseitig durchsetzen. Vertragsänderungen sind nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers oder über eine Änderungskündigung möglich.
Auswirkungen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen bleiben beim Betriebsübergang grundsätzlich bestehen (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Das bedeutet, dass die bisherigen Regelungen weiterhin gelten – allerdings nur als individualrechtliche Vereinbarungen, wenn der neue Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist.
Nach einem Jahr kann der neue Arbeitgeber diese Regelungen grundsätzlich ändern oder durch neue Vereinbarungen ersetzen. Arbeitnehmer verlieren ihre bisherigen Ansprüche aber nicht automatisch, sondern erst, wenn neue Regelungen in Kraft treten.
Der Betriebsrat bleibt ebenfalls bestehen, wenn der Betrieb als organisatorische Einheit fortgeführt wird. Nur wenn der Betrieb vollständig aufgelöst oder in andere Betriebe eingegliedert wird, können Neuwahlen erforderlich werden.
Betriebsübergang oder Betriebsstilllegung – der feine Unterschied
Nicht jede Unternehmensveränderung ist automatisch ein Betriebsübergang. Eine Betriebsstilllegung liegt vor, wenn der Betrieb vollständig eingestellt wird, also keine wirtschaftliche Einheit mehr fortbesteht.
Der Unterschied ist entscheidend:
Bei einem Betriebsübergang bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen, beim Wegfall des Betriebs endet es in der Regel durch betriebsbedingte Kündigung.
Arbeitnehmer sollten daher genau prüfen (lassen), ob tatsächlich eine Stilllegung oder ein Übergang vorliegt. Arbeitgeber bezeichnen eine Übertragung häufig als „Betriebsstilllegung“, um Kündigungen zu erleichtern – obwohl die tatsächlichen Umstände auf einen Übergang hinweisen. Die Arbeitsgerichte prüfen das sehr genau.
Rechte des Betriebsrats beim Betriebsübergang
Auch der Betriebsrat hat beim Betriebsübergang wichtige Rechte. Nach § 111 BetrVG ist er über geplante Änderungen frühzeitig zu informieren und anzuhören. In vielen Fällen ist der Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans erforderlich.
Der Betriebsrat kann so mitbestimmen, wie der Übergang gestaltet wird und welche Maßnahmen Arbeitnehmern zugutekommen – etwa Abfindungen, Versetzungsregelungen oder Beschäftigungssicherungen.
Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Beteiligungspflichten, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen und rechtliche Schritte einleiten.
Zusammenfassung
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil mit seiner wirtschaftlichen Einheit auf einen neuen Inhaber übergeht. Arbeitsverhältnisse gehen dabei automatisch auf den neuen Arbeitgeber über – mit allen Rechten und Pflichten. Arbeitnehmer dürfen wegen des Übergangs nicht gekündigt werden und können dem Wechsel innerhalb eines Monats schriftlich widersprechen.
Darüber hinaus bleiben Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen grundsätzlich bestehen, ebenso wie die Betriebszugehörigkeit. Ein fehlerhafter Informationsprozess kann dazu führen, dass Arbeitnehmer noch lange nachträglich widersprechen können. Der Betriebsrat spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung des Übergangs und beim Schutz der Belegschaft.
Fazit
Ein Betriebsübergang muss für Arbeitnehmer kein Nachteil sein – rechtlich sind sie gut geschützt. Trotzdem kommt es in der Praxis immer wieder zu Fehlern, fehlerhaften Informationen oder unzulässigen Kündigungen. Arbeitnehmer sollten sich deshalb frühzeitig informieren und rechtlichen Rat einholen, sobald ein Inhaberwechsel angekündigt wird. Nur so können sie entscheiden, ob ein Widerspruch sinnvoll ist und wie sie ihre Ansprüche wahren.
Wer sich als Betriebsrat oder Gewerkschaft mit einem geplanten Betriebsübergang konfrontiert sieht, sollte die Beteiligungsrechte konsequent nutzen, um faire Bedingungen für die Belegschaft zu sichern.
Das können wir für Sie tun
Unsere Kanzlei berät und vertritt Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften bundesweit in allen Fragen des Arbeitsrechts. Wir prüfen Abfindungsangebote, verhandeln mit Arbeitgebern und unterstützen Sie dabei, Ihre finanziellen Ansprüche durchzusetzen. Wenn nötig, vertreten wir Ihre Interessen vor dem Arbeitsgericht und sorgen dafür, dass Sie Ihre Rechte kennen und nutzen können.
Egal ob Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Sonstiges im Arbeitsrecht – wir stehen Ihnen mit unserer Erfahrung und rechtlichen Kompetenz zur Seite. Kontaktieren Sie uns, bevor Sie etwas unterschreiben, und sichern Sie sich eine fundierte Einschätzung Ihrer Lage. In Ihrer konkreten Situation sollten Sie immer rechtlichen Rat bei einem Anwalt für Arbeitsrecht einholen.
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