Betriebsübergang - Kanzlei Hoang

Betriebsübergang: Warum kein neuer Arbeitsvertrag notwendig ist

In der arbeitsrechtlichen Praxis zeigt sich immer wieder dasselbe Bild: Wird ein Unternehmen verkauft oder ausgegliedert, erhalten Beschäftigte kurz darauf häufig einen neuen Arbeitsvertrag – oft verbunden mit der Bitte, „aus organisatorischen Gründen“ schnell zu unterschreiben. Viele Betroffene fühlen sich in dieser Situation unter Druck und fragen sich, ob sie überhaupt eine Wahl haben.

Genau hier liegt jedoch der entscheidende Punkt: Bei einem Betriebsübergang ist ein neuer Vertrag rechtlich in der Regel nicht notwendig und kann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sogar spürbare Nachteile bringen. Dieser Beitrag erläutert verständlich, warum der bestehende Arbeitsvertrag automatisch weitergilt, welche Rechte Beschäftigte haben und wie sich typische Fallstricke vermeiden lassen.

Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Unternehmen, ein Betrieb oder ein Betriebsteil auf einen neuen Inhaber übergeht. Juristisch regelt § 613a BGB, was mit Ihrem Arbeitsverhältnis passiert – und das ist deutlicher, als viele glauben.

Der Kern des Gesetzes

§ 613a BGB bestimmt: Alle bestehenden Arbeitsverhältnisse gehen automatisch auf den neuen Arbeitgeber über – mit exakt den gleichen Bedingungen, die vorher galten. Dazu gehören:

  • Ihre Vergütung
  • Arbeitszeiten
  • Urlaub
  • Kündigungsfristen
  • Betriebliche Sonderregelungen, soweit individualvertraglich vereinbart

Das Gesetz schützt Beschäftigte davor, bei einem Inhaberwechsel plötzlich schlechter gestellt zu werden. Genau deshalb ist kein neuer Arbeitsvertrag notwendig.

Warum viele Arbeitgeber trotzdem neue Verträge vorlegen

In der Praxis greifen Arbeitgeber aus zwei Gründen zu neuen Vertragsmustern:

  1. Anpassung an interne Standards: Der Erwerber möchte eine einheitliche Vertragslandschaft.
  2. Änderung von Arbeitsbedingungen: Beliebt sind Klauseln zu flexibleren Arbeitszeiten, geringeren Zulagen oder geänderten Aufgabenbereichen.

Für Arbeitnehmer sieht das oft wie eine Formalität aus – doch im Kleingedruckten können sich deutliche Verschlechterungen verbergen.

Praxisbeispiel

Eine Pflegekraft erhält nach einem Trägerwechsel einen neuen Vertrag. „Nur eine Formalität“, heißt es. Erst auf den zweiten Blick fällt auf: Nachtzuschläge werden reduziert und die Arbeitszeit soll flexibel „nach Bedarf“ angepasst werden. Hätte sie unterschrieben, wären die bisherigen günstigeren Regelungen verloren gewesen.

Häufige Missverständnisse

„Ich muss unterschreiben, sonst verliere ich meinen Arbeitsplatz.“

Falsch. Der Betriebsübergang führt automatisch zum Übergang des Arbeitsverhältnisses. Ohne Ihre Unterschrift. Ohne Risiko.

„Der neue Arbeitgeber kann mich kündigen, wenn ich ablehne.“

Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ist rechtlich unwirksam. Das Gesetz schützt Sie ausdrücklich.

„Der alte Vertrag passt nicht mehr zum neuen Unternehmen.“

Selbst wenn Arbeitsabläufe oder Strukturen anders sind – Ihr Vertrag bleibt verbindlich. Anpassungen sind nur im Rahmen des Direktionsrechts oder durch einvernehmliche Änderungen möglich.

Was passiert, wenn ich den neuen Vertrag einfach nicht unterschreibe?

Kurz gesagt: Nichts. Der bisherige Vertrag gilt weiter. Der Arbeitgeber kann:

  • Sie nicht zur Unterschrift zwingen,
  • Ihnen daraus keine Nachteile machen,
  • und keine Änderungskündigung aussprechen, um schlechtere Bedingungen durchzusetzen, wenn kein betrieblicher Grund vorliegt.

Selbst wenn der Arbeitgeber später strukturbedingte Änderungen braucht, muss er diese sauber begründen – sonst ist eine Änderungskündigung unwirksam.

Tipps: Wie Sie sich bei einem Betriebsübergang richtig verhalten

1. Ruhe bewahren und nichts überstürzen

Unterschreiben Sie niemals spontan. Bitten Sie um Bedenkzeit. Das ist Ihr gutes Recht.

2. Vergleichen Sie die Verträge Zeile für Zeile

Auch kleine Änderungen – z. B. bei Überstundenregelungen oder Ausschlussfristen – können große Auswirkungen haben.

3. Lassen Sie Formulierungen prüfen

Anwaltliche Beratung kostet meist weniger, als später schlechte Vertragsbedingungen auszubügeln. Viele Fallstricke sind für Laien schwer erkennbar.

4. Treten Sie selbstbewusst auf

Viele Arbeitgeber setzen auf psychologischen Druck – nicht auf rechtliche Notwendigkeit. Wenn Sie höflich, aber bestimmt sagen, dass Ihr alter Vertrag weiter gilt, ändert sich der Ton schnell.

5. Verlangen Sie Klarheit

Sollte der Arbeitgeber dennoch insistieren, fragen Sie konkret:
„Warum ist ein neuer Vertrag erforderlich, obwohl § 613a BGB den Fortbestand des bisherigen Vertrags ausdrücklich vorsieht?“ Oft verstummt das Thema danach.

Ein weiteres Praxisbeispiel

Ein IT-Spezialist meldet sich bei mir, nachdem sein Unternehmen von einem internationalen Konzern übernommen wurde. Der neue Arbeitgeber verlangte, dass alle Mitarbeiter einen „modernen Standardvertrag“ unterschreiben. Der Haken: Die Wochenarbeitszeit steigt, das Gehalt bleibt gleich, und es gibt plötzlich eine pauschale Überstundenabgeltung.

Nach kurzer Beratung entschied der Mitarbeiter, den neuen Vertrag nicht zu unterschreiben. Der Arbeitgeber gab seine Forderung schließlich auf – er wusste, dass er keine rechtliche Grundlage hatte. Das alte Arbeitsverhältnis besteht unverändert fort.

Fazit

Bei einem Betriebsübergang bleibt Ihr Arbeitsvertrag bestehen. Eine Unterschrift unter einen neuen Vertrag ist juristisch nicht erforderlich – und selten zu Ihrem Vorteil. Prüfen Sie jeden vorgelegten Vertrag sorgfältig und handeln Sie erst, wenn Sie seine Auswirkungen wirklich verstehen.

Wie Sie jetzt sinnvoll vorgehen

Ein Betriebsübergang ist für Arbeitnehmer oft eine Phase voller Unsicherheiten – doch rechtlich müssen Sie sich nicht drängen lassen. Wenn Ihnen ein neuer Arbeitsvertrag vorgelegt wird, lohnt sich eine professionelle Prüfung fast immer. Kleine Formulierungen können große Folgen haben, und gut gemeinte Hinweise aus dem Kollegenkreis ersetzen keine fundierte Einschätzung.

Wenn Sie Zweifel haben, ob Sie unterschreiben sollten, oder wenn der Arbeitgeber Druck ausübt, lassen Sie sich frühzeitig beraten. Wir prüfen Ihren bestehenden Arbeitsvertrag, analysieren die angebotenen Änderungen und zeigen Ihnen klar auf, welche Rechte Sie haben und welche Schritte jetzt sinnvoll sind.

Holen Sie sich rechtliche Unterstützung, bevor Sie handeln – wir sind Ihr Ansprechpartner im Arbeitsrecht, bundesweit für Sie da.

Bildnachweis: Bild von websubs auf Pixabay

Rechtsanwalt Van Hoang, LL.B.
Rechtsanwalt Van Hoang, LL.B.

Rechtsanwalt Hoang ist bundesweit tätig und spezialisiert auf Arbeitsrecht – von Kündigung und Abmahnung bis hin zu Aufhebungsverträgen und Lohnansprüchen. Zusätzlich berät er kompetent im allgemeinen Zivilrecht und Datenschutzrecht. Mandanten profitieren von klarer Kommunikation, effizienter Fallbearbeitung und fundierter juristischer Expertise. Dabei legt er besonderen Wert auf strategisches Vorgehen und taktisch kluges Verhandeln, um für seine Mandanten optimale Ergebnisse zu erzielen.

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