Entgeltfortzahlung

Die Entgeltfortzahlung ist für Arbeitnehmer ein zentraler Schutzmechanismus im Krankheitsfall. Sie sichert das Einkommen, wenn Beschäftigte vorübergehend arbeitsunfähig werden und ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Viele wissen jedoch nicht genau, wann dieser Anspruch besteht, wie lange er dauert, welche Pflichten Arbeitnehmer haben und in welchen Fällen die Zahlung verweigert werden darf. In diesem Beitrag erfahren Sie, was die Entgeltfortzahlung bedeutet, wie sie rechtlich geregelt ist und welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften kennen sollten.

Unter Entgeltfortzahlung versteht man die gesetzlich geregelte Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei Krankheit für eine bestimmte Zeit das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen. Der Anspruch ergibt sich aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) und gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob sie in Vollzeit, Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung arbeiten.

Das Ziel dieser Regelung ist es, Beschäftigte vor Einkommensverlusten zu schützen, wenn sie unverschuldet krankheitsbedingt ausfallen. Sie stellt sicher, dass Arbeitnehmer während einer vorübergehenden Krankheit nicht zusätzlich durch finanzielle Sorgen belastet werden.

Die Entgeltfortzahlung ist ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Arbeitnehmerschutzes und gilt als Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Voraussetzungen für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Damit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Erstens muss ein wirksames Arbeitsverhältnis bestehen. Auch während der Probezeit oder bei befristeten Verträgen besteht grundsätzlich ein Anspruch, sobald die Wartezeit erfüllt ist.

Zweitens muss der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank sein. Das bedeutet, er ist aufgrund einer Krankheit objektiv nicht in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Eine bloße Befindlichkeitsstörung reicht nicht aus.

Drittens darf den Arbeitnehmer kein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit treffen. Wer sich seine Krankheit vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst zuzieht, etwa durch gefährliche Freizeitaktivitäten oder Drogenkonsum, verliert den Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Und schließlich gilt eine Wartezeit: Der Arbeitnehmer muss mindestens vier Wochen ununterbrochen im Betrieb beschäftigt gewesen sein (§ 3 Abs. 3 EFZG). Erst danach entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Dauer der Entgeltfortzahlung

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Arbeitsentgelt für bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage) fortzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist.

Dauert die Krankheit länger an, endet die Entgeltfortzahlungspflicht nach Ablauf dieser Frist. Danach übernimmt in der Regel die Krankenkasse mit dem sogenannten Krankengeld, das jedoch geringer ausfällt als das bisherige Arbeitsentgelt.

Erkrankt der Arbeitnehmer erneut, beginnt die sechswöchige Frist nur dann von vorne, wenn es sich um eine neue Krankheit handelt oder zwischen zwei Krankheitszeiten mindestens sechs Monate liegen. Bei derselben Erkrankung innerhalb von sechs Monaten wird die vorherige Zeit angerechnet.

Höhe der Entgeltfortzahlung

Der Arbeitnehmer erhält während der Entgeltfortzahlung sein regelmäßiges Arbeitsentgelt, also das, was er ohne Krankheit verdient hätte. Dazu zählen:

– das Grundgehalt,
– Zuschläge für regelmäßige Arbeitszeiten (z. B. Nacht- oder Schichtzuschläge),
– sowie regelmäßig anfallende Provisionen.

Nicht angerechnet werden hingegen Aufwandsentschädigungen oder einmalige Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld, sofern sie nicht an die tatsächliche Arbeitsleistung gebunden sind.

Der Arbeitgeber darf die Entgeltfortzahlung weder kürzen noch verschieben. Sie muss zu den üblichen Zahlungsterminen erfolgen, als ob der Arbeitnehmer gearbeitet hätte.

Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen – das heißt, so schnell wie möglich nach Eintritt der Krankheit. Diese sogenannte Anzeigepflicht ergibt sich aus § 5 EFZG.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden. Der Arbeitgeber kann die Vorlage aber auch früher verlangen, etwa bereits am ersten Krankheitstag.

Seit dem 1. Januar 2023 erfolgt die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten grundsätzlich elektronisch über die Krankenkassen. Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber aber weiterhin über die Erkrankung informieren.

Wird die Krankmeldung verspätet abgegeben oder gar nicht vorgelegt, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern, bis der Nachweis erbracht ist.

Entgeltfortzahlung bei wiederholter Erkrankung

Erkrankt ein Arbeitnehmer mehrfach, stellt sich die Frage, ob erneut Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Entscheidend ist, ob es sich um dieselbe oder eine neue Erkrankung handelt.

Liegt eine andere Krankheit vor, beginnt die sechswöchige Frist von vorn. Handelt es sich hingegen um dieselbe Krankheit, wird die Zeit zusammengerechnet, sofern die Unterbrechung weniger als sechs Monate beträgt.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer ist im Januar zwei Wochen wegen einer Rückenverletzung krank und im März erneut sechs Wochen wegen derselben Diagnose. Dann besteht nur ein Anspruch auf insgesamt sechs Wochen Entgeltfortzahlung.

Kommt später eine neue Erkrankung hinzu, läuft eine neue Sechs-Wochen-Frist – unabhängig von der vorherigen Krankheit.

Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung

In bestimmten Fällen entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das ist insbesondere der Fall, wenn:

– die Krankheit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde (z. B. durch Alkoholmissbrauch oder riskantes Verhalten),
– die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitskampf (Streik oder Aussperrung) beruht,
– oder der Arbeitnehmer seine Anzeigepflichten verletzt.

Auch wer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht oder die ärztliche Anweisung missachtet (etwa durch Sport während der Krankschreibung), riskiert den Verlust des Anspruchs und arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung.

Entgeltfortzahlung bei besonderen Beschäftigungsformen

Auch Teilzeitkräfte, Minijobber, Auszubildende und befristet Beschäftigte haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Bei Minijobs gilt: Der Arbeitgeber muss auch hier das Entgelt für sechs Wochen weiterzahlen. Die Kosten kann er über die Umlageverfahren U1 bei der Minijob-Zentrale teilweise erstattet bekommen.

Für Auszubildende gilt der Anspruch ebenfalls, da sie Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes sind. Eine Besonderheit besteht, wenn die Erkrankung länger als sechs Wochen dauert – dann kann die Ausbildung verlängert werden.

Entgeltfortzahlung bei Kur, Reha oder Pflege

Auch während einer medizinischen Rehabilitation oder einer von der Krankenkasse bewilligten Kur besteht unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 9 EFZG). Voraussetzung ist, dass die Maßnahme ärztlich verordnet und von der Krankenkasse genehmigt wurde.

Bei der Pflege naher Angehöriger gilt hingegen das Pflegezeitgesetz. Arbeitnehmer, die kurzfristig Pflege organisieren müssen, können bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben, erhalten in dieser Zeit aber keine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, sondern Pflegeunterstützungsgeld von der Pflegekasse.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat beim Thema Entgeltfortzahlung eine wichtige Informations- und Überwachungsfunktion. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG achtet er darauf, dass Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden.

Er kann insbesondere darauf hinwirken, dass Arbeitnehmer korrekt über ihre Pflichten informiert werden, keine Diskriminierungen bei Krankmeldungen erfolgen und Arbeitgeber das Entgelt ordnungsgemäß fortzahlen.

Zudem kann er im Rahmen seiner Mitbestimmungsrechte bei betrieblichen Regelungen zur Krankmeldung, Erreichbarkeit oder elektronischen Übermittlung von Arbeitsunfähigkeitsdaten mitwirken.

Zusammenfassung

Die Entgeltfortzahlung stellt sicher, dass Arbeitnehmer im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen ihr volles Gehalt erhalten. Voraussetzung ist eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit, ein bestehendes Arbeitsverhältnis und die Einhaltung der Anzeigepflichten.

Der Anspruch gilt für alle Beschäftigten, unabhängig von der Vertragsform. Nach sechs Wochen übernimmt die Krankenkasse mit Krankengeld. Arbeitnehmer sollten bei längerer oder wiederholter Erkrankung prüfen, ob es sich um dieselbe oder eine neue Krankheit handelt, um ihren Anspruch richtig einzuschätzen.

Darüber hinaus ist die Entgeltfortzahlung ein zentraler Bestandteil des sozialen Arbeitnehmerschutzes und Ausdruck der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Fazit

Die Entgeltfortzahlung gibt Arbeitnehmern finanzielle Sicherheit im Krankheitsfall. Wer seine Pflichten erfüllt und rechtzeitig Bescheid gibt, hat einen klaren gesetzlichen Anspruch. Arbeitgeber dürfen die Zahlung nur verweigern, wenn Arbeitnehmer ihre Nachweispflichten verletzen oder die Krankheit selbst verschulden.

Für Arbeitnehmer lohnt sich eine rechtliche Prüfung, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Kürzung oder Verweigerung der Entgeltfortzahlung bestehen. Eine rechtliche Beratung kann helfen, Ansprüche durchzusetzen und unzulässige Abzüge zu vermeiden.

Das können wir für Sie tun

Unsere Kanzlei berät und vertritt Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften bundesweit in allen Fragen des Arbeitsrechts. Wir prüfen Abfindungsangebote, verhandeln mit Arbeitgebern und unterstützen Sie dabei, Ihre finanziellen Ansprüche durchzusetzen. Wenn nötig, vertreten wir Ihre Interessen vor dem Arbeitsgericht und sorgen dafür, dass Sie Ihre Rechte kennen und nutzen können.

Egal ob Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Sonstiges im Arbeitsrecht – wir stehen Ihnen mit unserer Erfahrung und rechtlichen Kompetenz zur Seite. Kontaktieren Sie uns, bevor Sie etwas unterschreiben, und sichern Sie sich eine fundierte Einschätzung Ihrer Lage. In Ihrer konkreten Situation sollten Sie immer rechtlichen Rat bei einem Anwalt für Arbeitsrecht einholen.

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